Toilettenräume

Als er mich nach meinem Namen fragte, fiel mir erst ein, dass ich seinen auch nicht kannte. Das hatte ich nicht mal bemerkt, er war mir irgendwie sowas wie vertraut gewesen.
Lächelnd streckte ich die Hand nach meinem Stab aus.
"Ace. Ace Hugh James. Und du?"
Erst als die Worte draußen waren, erkannte ich, dass ich das erste Mal seit ich in England war, meinen echten Namen benutzte.
Leicht verwirrt blinzelte ich, konzentrierte mich dann aber wieder auf ihn.

"Lucian..Hiristea, freut mich" meinte ich mit einem breiten Grinsen. Ich hasste meinen Nachnamen, er schrie förmlich, dass ich nicht aus England kam. Seine Verwirrung färbte nur kurz auf mich ab, da ich nicht verstand was ihn verwundert hatte, ich schob es dann aber auf die Drogen.
"Ich werd dein Angebot übrigens mit Freude annehmen."

"Uh, auch nicht aus England. Hatte ich aber geahnt, die sind normalerweise etwas prüder und stehen nicht unbedingt auf Sex im Waschraum einer Toilette."
Kurz sah ich mich um und dann wieder zu ihm, ehe ich meinen Stab an mich nahm und ihn unter meinem Mantel verschwinden ließ.
"Darauf freue ich mich schon. Wirklich."

Interessiert musterte ich ihn und lachte leise.
"Stimmt wohl. Hängen auch meistens nicht mit Drogen vollgepumpt im Klo rum. Wo kommst du her?"
Ich tippte mit der Zungenspitze gegen die Innenseite meiner Zähne und lehnte mich an die Wand.

"Ich bin aus Canton in Ohio. Nette Stadt. Und Drogen habe ich immer im Blut, dass ist Dauerzustand."
Lachend stützte ich mich auf der Anrichte ab.
"Und wo kommst du her?"

Das klang doch vielversprechend. Schmecken taten sie auf jeden Fall gut und auf mich wirken vermutlich auch ein wenig.
"Ich bin in Brasov geboren. Liegt in Rumänien, hat eine ziemlich hübsche Kirche." fügte ich kichernd noch hinzu. Es war schon klischeehaft, ein Vampir aus Rumänien.

Ich konnte nicht anders als zu grinsen. Der Vampir aus Rumänien, dass war wirklich amüsant.
"Hmm, ein Vampir aus Rumänien, man bricht anscheinend doch selten mit Traditionen
Was machst du heute Abend noch?"
Ich war weniger neugierig als eher darum bemüht, meine Gedanken auf einem Fleck zu halten.

Ich nickte grinsend und sprang von der Anrichte.
"Nichts besonderes mehr, mein Hauptziel hab ich ja schließlich erreicht.
Und du?"
Lust noch etwas zu machen hatte ich schon, stellte sich nur die Frage was.

"Eigentlich wollte ich nur noch nach Hause. Da sind weniger Cops in der Nähe."
Ich lachte leise und musterte ihn aufmerksam.
"Oder hast du eine bessere Idee für einen Zeitvertreib?"

Nachdenklich kaute ich auf meiner Lippe rum.
"An meiner üblichen Beschäftigung wirst du wohl kaum Freude finden." meinte ich lachend und legte den Kopf schief.

"Ich bin eine überraschende Persönlichkeit. Was machst du denn sonst so?"
Jetzt war ich neugierig. Solange es nichts mit Schwimmen zu tun hatte... Gott, ich hasste schwimmen. Wäre der Mensch fürs Wasser geboren worden, hätten wir Schwimmhäute.
Unbewusst starrte ich auf meine Hände und fragte mich unwillkürlich, wie wohl das fleischige Mittelstück zwischen Daumen und Zeigefinger hieß. Die letzten Reste Drogen machten sich wirklich bemerkbar.

"Größtenteils geh ich auf Feiern wie diese hier und nun ja, mach das was ich mit dir gemacht hab...nur ohne das danach."
Ich grinste schief, es war tatsächlich das erste Mal, dass es ein wenig aus dem Ruder gelaufen ist.
"Und sonst erfreue ich mich daran die Taschen anderer zu leeren."
Kurz musterte ich ihn auf meiner Zungenspitze lag immer noch die Frage, ob er das Fehlen seines Stabes sofort gemerkt hatte.

Ich grinste anzüglich bei der Erinnerung daran und nickte leicht.
"Netter Zeitvertreib. Aber ich sollte in meinem Zustand eher auf sowas verzichten."
Ich konnte mir denken, warum er mir den Stab abgenommen hatte. Wobei es nicht nötig gewesen wäre.

Kichernd musterte ich ihn und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Das könnte wirklich unschön enden. Sag mal...wann hast du eigentlich bemerkt, dass ich deinen Stab hatte?"

"Nun, normalerweise sticht mir das Ding ständig in die Seite. Und irgendwann kurz nachdem du mein Blut getrunken und kurz bevor wir Sex hatten fiel mir auf, dass es bis jetzt nicht vorkam. Also dachte ich du hättest ihn."
Ich grinste triumphierend, dass ich recht behalten hatte.

Na gut, mein Stolz musste nicht allzu sehr leiden. Er hatte es immerhin nicht in dem Moment bemerkt, indem ich ihn mir genommen hatte, also war ich doch nicht zu sehr eingerostet.
"Man muss da immer vorsichtiger sein mit den Zauberern, wer weiß wie sie reagieren."

"Wahrscheinlich nicht so wie ich, oder?", stellte ich fest und kicherte dumpf. Eigentlich war ich schon immer neugierig gewesen, wie es war, von einem Vampir gebissen zu werden.
"Wie wird man eigentlich Vampir?"

Grinsend schüttelte ich den Kopf. Meine anderen Opfer waren nicht so erpicht darauf gewesen sich danach noch zu unterhalten, meistens wussten sie noch nicht mal wirklich was passiert war. Seine Frage überraschte mich ein wenig, so etwas hatte mich noch nie jemand gefragt und ich probierte mich zu erinnern.
"Ich glaub, dass ich dich so gut wie blutleer saugen muss und dir dann einfach mein Blut zu trinken gebe...Vielleicht, ich kann mich kaum dran erinnern.
Warum fragst du, hm?"

Ich nickte und schlug schnell die Augen nieder, damit er die Gier nicht darin sah.
"Ach nur so. Ich war neugierig."
Ich bemühte mich um ein entspanntes Lächeln als ich ihn wieder ansah. Nach einer kleinen Weile wurde ich wieder ernst.
"War es... freiwillig?", fragte ich leise. Das war wohl die erste, wirklich persönliche Frage, die ich ihm stellte.

In meinem Hinterkopf meinte eine kleine Stimme, dass es bestimmt nicht nur Neugierde war, aber ich selbst war mir da nicht ganz sicher. Man traf ja schließlich auch nicht jeden Tag einen Vampir, der bereit war mit seiner Mahlzeit Konversation zu betreiben, da konnte man schon solche Fragen stellen.
Ich starrte auf den Boden und schüttelte stumm den Kopf. So etwas geschah selten mit Einwilligung.

Ich merkte, dass ich mit der Frage anscheinend zu weit gegangen war und sah ihn unschlüssig an. Etwas in mit wollte ihn trösten, der Teil, der sonst immer die Oberhand hatte, wollte das nicht.
Ich war gefühllos, verdammt. Mich interessierte niemand. Aber da war irgendwas in meiner Seele, noch neu und wahrscheinlich verletzbar, dass mich dazu trieb, zu ihm zu gehen und die Arme um ihn zu legen.
"Tut mir leid."

Im ersten Moment war ich verwirrt, diese Verwirrung legte sich auch dann nicht als er zu reden anfing. Mitleid, insbesondere von jemand mehr oder weniger Fremden, kannte ich nicht. Kurz stand ich da total verdatterte, bevor ich meine Arme um seinen Oberkörper schlang und das Gesicht an ihn presste, unfähig was zu sagen.

Ich zitterte, überrascht von mir selbst. Ich drückte ihn einfach an mich, mein Mitleid erstickte jedes Wort im Keim, selbst wenn ich gewusst hätte, was ich hätte sagen sollen.
Also hielt ich ihn einfach in den Armen und hoffte, ihn damit trösten zu können.

Sein Zittern half meiner Verwirrung nicht wirklich weiter, weshalb ich dann einfach aufgab es zu verstehen. Ich blieb einfach noch einige Minuten so stehen, lauschte seinem Herzschlag, bis ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte. So was war mir bis jetzt noch nicht passiert, vermutlich weil ich es einfach immer verdrängt hatte. Ignoriert. Und die Tatsache, dass es jemanden interessierte, machte mich einfach fertig.
Langsam löste ich mich von ihm und nuschelte leise. "Danke..."

"Kein Problem", erwiderte ich leise und wich zurück.
Das alles war doch unverbindlich gewesen, warum fühlte ich mich nun schlecht, wenn ich ihn so sah?
Ich wollte nicht, dass es ihm schlecht ging. Und ich war es nicht gewohnt, jemanden zu mögen. Nicht so.